Inhalt

René Descartes schrieb einst: „Ich denke, also bin ich!“ Mit diesem Satz schuf der Französische Denker eine neue Richtung der Philosophie. Ganze Generationen von Philosoph*innen versuchen seither aus diesem Satz abzuleiten, dass der Mensch sich nur deshalb seiner Existenz bewusst ist, weil er denkt. Aber stimmt das überhaupt? – Denke ich selbst oder werde ich gedacht? Hier beginnt die Recherche für das künstlerische Projekt von Anja Panse.

Hirnforscher*innen, Neurolog*innen und Wissenschaftler*innen anderer Fachgebiete gewinnen in hoher Schlagzahl neue Erkenntnisse zum Themenkomplex der Gedankenbildung im Gehirn und sind uneins in dieser Frage. Es ist also höchst umstritten, wer oder was in uns denkt. In ihrer Erkundungsreise wird Anja Panse versuchen herauszufinden, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage evidenzbasiert vorliegen und was Philosophie und Religionen zu diesem Themenfeld zu sagen haben. Sie wird eigene Erfahrungen sammeln in wissenschaftlichen Experimenten und spirituellen Bewusstseinsreisen. Aus diesen Ergebnissen und persönlichen Erfahrungen wird ein dramatischer Text entstehen, der über die Gedankenmuster in uns selbst reflektiert und zerstörerische Muster sichtbar werden lässt. Dieser Text wird später die Basis für eine auditive Performance sein. Das Projekt ist ein Versuch, dass es die Kunst vermag, als vielleicht einziges Korrektiv, die unheilvollen Abhängigkeiten von destruktiven Handlungsmustern und den eigenen Gedankenströmen bewusst zu machen und aufzubrechen, indem sie hilft, die Rückbesinnung auf das untrügliche Selbstgefühl zu festigen.



Motivation

Seit einiger Zeit fühle ich ein gewisses Unbehagen, denn allenthalben wird in der mich umgebenden Welt behauptet, dass Menschen entweder gar nicht oder aber richtig bzw. falsch denken. Ich höre oft: „Dies oder jenes denkst du doch bloß, weil du diese oder jene Zeitschrift gelesen hast. Das denkt doch gar nicht sie, das plappert sie doch bloß nach! Die meisten denken aber so! Wer so denkt, ist nicht normal! Ich denke genauso wie du!“


Plötzlich frage ich mich des öfteren, wie viele meiner Gedanken originär von mir stammen. Ich ertappe mich nach einer Aussage, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob das mein eigener Gedanke war oder ich nur eine Meinung wiedergebe, die ich zuvor gelesen habe. Das verunsichert mich zuweilen, hat es doch einen großen Einfluss auf mein Verhalten und meine Gefühlswelt. Deshalb möchte ich in meiner künstlerischen Arbeit der Frage nach dem eigenständigen Denken nachgehen. Aus unseren Gedanken leiten sich Handlungen und Emotionen ab, wenn aber unsere Gedanken möglicherweise stark von anderen Mustern überlagert sind, handeln wir dann wirklich in unserem Sinne? Haben wir „echte“ Emotionen oder erliegen wir der Täuschung der „falschen“ Gefühle, da sie Gedanken entspringen, die nicht unsere eigenen sind, wir uns aber mit diesen identifizieren. Welche Konsequenzen hat das auf unser gesellschaftliches Zusammenleben?

Es stellen sich die folgenden Fragen: Welcher prozentuale Anteil des Denkens entspringt durchschnittlich aus der ureigenen Gedankenwelt? Wie viele Gedanken kreisen nur deshalb im Kopf herum, weil sie im sozialen Umfeld aufgeschnappt, durch die Erziehung manifestiert und/oder durch die lautstarken Echokammern der Medien übernommen wurden? Außerdem möchte ich der Frage nachgehen, wie der Mensch zu seiner höchst persönlichen, universalen Gedankenwelt findet und im großen Maße seine eigenen Ressourcen nutzen kann. Denn eines ist unbestritten: Wir haben unsere ureigene Gedanken, die in seltenen Momenten aufblitzen.

Themenkomplexe der Recherche:

  1. Welche konkreten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es zum eigenständigen Denken und zum Entstehen des Gedankenstroms? Welche Quellen für das eigene Denken sind nachweisbar, welche sind hypothetisch? Was ist überhaupt ein Gedanke in wissenschaftlicher und spiritueller Hinsicht?
  2. Wie erkenne ich mein eigenes Denken und wie kann ich in einer Welt, die in einem gigantischen Informationsrauschen versinkt, zu meiner persönlichen Gedankenwelt Zugang finden?

Hierzu möchte ich Hirnforscher*innen, Neurolog*innen, Psycholog*innen, Soziolog*innen nach dem aktuellen Forschungsstand befragen. Weiterhin möchte ich spirituelle Meister*innen nach ihrem Weg zum ureigenen Denken zu Rate ziehen. Zusätzlich ist es immanent wichtig, eigene praktische Erfahrungen durch Teilnahme an wissenschaftlichen Experimenten und Bewusstseins – Seminaren zu sammeln.

Es stellt sich also die Frage, ob wir unseren Gedanken immer trauen können oder ob wir vielleicht verstärkt hinterfragen sollten, woher bestimmte Gedanken kommen, die unser Verhalten und unsere Emotionen kontrollieren und bestimmen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage, kann zu einem veränderten Blick auf das eigene Verhalten führen. Im besten Sinne kann durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema, das „eigene“ Denken und die unbewusste Identifizierung damit hinterfragt und aufgebrochen werden und so zu einem Perspektivwechsel führen.

Somit wird Descartes` Philosophie „Ich denke, also bin ich“ assoziierend aufgegriffen und weitergedacht zu „Wenn ich aber nicht selbst denke, bin ich dann nicht ich? Bin ich dann vielleicht nur ein Abbild dessen, was aus mir denkt?“ – und was dann?